Pustertaler Theatergemeinschaft
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Das Vierte Gebot
ein Volksstück in 4 Akten
von Ludwig Anzengruber

Regie: Edi Braunhofer

Aufführungen - Spielorte

Samstag, 14. November 1992 Bruneck Kolpinghaus
Dienstag, 17. November 1992 Bruneck Kolpinghaus
Donnerstag, 19. November 1992 Sexten Haus Sexten
Samstag, 21. November 1992 Uttenheim Haus der Dorfgemeinschaft
Sonntag, 22. November 1992 Weißenbach Haus der Vereine
Dienstag, 24. November 1992 Brixen Kolpinghaus
Samstag, 28. November 1992 Vintl Mehrzwecksaal der Mittelschule
Sonntag, 29. November 1992 Olang Kongreßhaus
Mittwoch, 2. Dezember 1992 Taisten Vereinshaus
Sonntag, 6. Dezember 1992 Wahlen Mehrzwecksaal

Beginn jeweils um 20.30 Uhr

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Darsteller

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Mitarbeiter

Regie Edi Braunhofer Brixen

Bühnenbild

Klaus Gasperi Bruneck

Kostümberatung

Siglinde Michaler
Walter Granuzzo
Brixen
Brixen

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Das Vierte Gebot

Vor seiner Hinrichtung sagt der des Mordes schuldige junge Schalanter seinem ehemaligen Freund, dem Priester, der sich durch abstraktes Moralisieren mitschuldig gemacht hat: "Wenn du in der Schul den Kindern lernst: "Ehret Vater und Mutter!", so sag's auch von der Kanzel den Eltern, das s' danach sein sollen."

Anzengruber gibt von der Bühne herab moralischen Anschauungsunterricht und beleuchtet die herrschende Gesellschaftsmoral am Beispiel seiner dargestellten Schicksale: zwischen dem reich gewordenen Bürgertum (Hutterer, Stolzenthaler) vertreten der Priester Eduard und der Klavierlehrer Frey den Mittelstand. Ansehen der Familien und Stände wird an der Höhe des Bankkontos gemessen. Der Macht des Geldes hat sich alles zu fügen, in ihrem Namen werden Liebschaften verboten oder gefördert und Ehen gestiftet. Das absinkende Kleingewerbe versucht gar nicht sich im bewegten Wellengang der Industrieentwicklung zu behaupten: man läßt den Dingen freien Lauf und flüchtet aus dem Konkurrenzkampf noch selbstbewußt ins Wirtshaus. Einen Kontrast dazu bildet das Hausmeisterehepaar Schön, das zwar seine engen Grenzen beachtet, sie aber - in der Person des studierten Sohnes - zu erweitern vermag. Überhaupt läßt sich der Gedanke der Vätergeneration, daß es die Kinder einmal besser haben sollen als die Eltern, durch das ganze Stück hindurch verfolgen - und dennoch die traurige Erfahrung: die Kinder scheitern an den Folgen einer falschen Erziehung und mißbrauchten Autorität.

Robert Ortner

 

Inhalt: Hedwig, die Tochter der Hausherrenfamilie Hutterer, ist in den jungen Klavierlehrer Robert Frey verliebt. Vater Hutterer aber unterbindet diese Beziehung zu dem nicht standesgemäßen und zwingt sie den reichen Lebemann Stolzenthaler zu heiraten. Hedwig sucht Rat beim Priester Eduard (Sohn der Gärtnerfamilie Schön). Er rät ihr sich strikt an das 4.Gebot zu halten ("Du sollst Vater und Mutter ehren"), das sie auch befolgt. Im Nebenhaus wohnt die Familie Schalanter (Vater ist ein Trinker, Mutter ist eine Kupplerin). Tochter Josepha hatte bisher ein Verhältnis mit Stolzenthaler. Sohn Martin ist grade Soldat geworden. Die Großmutter warnt die Kinder dem schlechten Beispiel zu folgen, aber sie wird nur ignoriert.

Ein Jahr später haben Hedwig und Stolzenthaler ein Kränkliches Kind. Hedwig trifft Frey, der jetzt Vorgesetzter von Martin ist. Frey bittet Hedwig um alte Liebesbriefe und machen sich einen Treffpunkt aus. Dieses Gespräch haben Martin und Vater Schalanter belauscht und berichten sofort Stolzenthaler davon. (Sie wollen Geld und Frey eines auswischen weil er Martin beim Militär schikaniert) Stolzenthaler wirft Hedwig hinaus. Die Familie Schalanter ist inzwischen in die für das Treffen vereinbarte Schenke gewandert. Dort wartet Frey schon und die Schalanters setzen sich zu ihm an den Tisch. Ein heftiger Streit folgt und plötzlich erschießt Martin Frey. Martin wird festgenommen und zum Tode verurteilt. In der Todeszelle will er nur Eduard, seine alten Schulfreund, empfangen. Josepha und Martin folgen nun dem Rat der Großmutter und verachten ihre Eltern. Hedwig ist von Stolzenthaler geschieden, hat ihr Kind verloren und ist dem Tod schon gekennzeichnet. Ihr Vater erkennt sein Unrecht.

Interpretation: Zentrales Thema ist das 4.Gebot: "Du sollst Vater und Mutter ehren". Die Eltern verstehen darunter die Pflicht der Kinder zu absolutem Gehorsam. Diese Ansicht ist falsch, denn es besteht eine Verpflichtung beider Teile. Für Kinder Ehrfurcht und Gehorsam und für die Eltern Vorbild und Erziehung. Anzengruber charakterisiert 3 verschieden Familien:

1) Familie Hutterer: Vater ist besitzgierig, unterdrückt autoritär den Willen seiner Tochter und verlangt blinden Gehorsam. Frau ahnt seine Fehler, unternimmt aber nichts gegen ihn. Hedwig fehlt die Kraft zu eigenständigen Entschlüssen, so beugt sie sich nach dem Rat des Priesters dem Vater.

2) Familie Schalanter: Vater ist nur negatives Vorbild, macht Großmutter lächerlich, die die wahre Lage erkennt. Martin und Josepha fehlt der Durchblick. Frau Schalanter trägt durch ihr schlechtes Vorbild auch zum Verfall der Kinder bei.

3) Familie Schön: ist ein positives Gegenstück; führen glückliche Ehe. Eduard predigt nur Gesetze und weiß mit den Realitäten des Lebens nichts anzufangen.
Anzengruber übt Kritik an der Kirche: Sie ist weltfremd, predigt nur Gesetze, die falsch verstanden werden. Sie versteht auch nicht die Zusammenhänge und Konflikte der menschlichen Beziehungen. Allgemein stellt Anzengruber das blinde Festhalten an bloßen Buchstaben in Frage. Denn über die Gültigkeit einer Norm kann nur die Wirklichkeit entscheiden.

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Ludwig Anzengruber

Anzengruber wurde in Wien als Sohn eines Wiener Hofbeamten bäuerlicher Herkunft am 29.11.1839 geboren. Seine Schulzeit (seit 1847 Volksschule, 1851-55 Unter- und Oberrealschule) mußte er wegen Mittellosigkeit abbrechen. Nach der anfänglichen Buchhändlerlehre (1856-1858) versuchte er sich in der Schriftstellerei und Schauspielerei, die er glaubte, von seinem Vater geerbt zu haben. Dieser verfaßte (niemals aufgeführte) Theaterstücke. Anzengruber zieht 1860-1866 als Schmierenschausspieler mehr schlecht als recht von Provinztheater zu Provinztheater. Die materielle Not zwingt ihn zum Tagelohnschreiben, ehe er 1870 als Kanzlist in die Wiener Polizeidirektion eintritt. In dieser Zeit beschäftigt er sich mit der Philosophie eines Spinoza und Ludwig Feuerbach, deren Weltanschauung ihn selbst und seine literarischen Werke ein Leben lang prägt. Die Aufführung des antikleralen Stückes "Der Pfarrer von Krichfeld" macht ihn im selben Jahr auf einen Schlag berühmt. Nach der Aufgabe der Beamtenstellung (März 1871) betätigt er sich als Theaterschreiber am Theater an der Wien und ab 1888 am Deutschen Volkstheater. Er hat inzwischen die leichtlebige Adelinde Lipke geheiratet.
Er arbeitete weiters auch als Redakteur des Wochenblattes "Heimat" (1882-1885), des Witzblattes "Figaro" (1884-1889) und des Kalenders "Wiener Bote" (1888). Vorlesungsreisen führten ihn durch Österreich und Böhmen. Kurz nach der Scheidung von seiner Frau, die nie Verständnis für sein künstlerisches Schaffen aufbrachte, verstarb Ludwig Anzengruber, der 1878 mit dem Schillerpreis und 1887 mit dem Grillpazerpreis ausgezeichnet wurde, an einer Blutvergiftung am 10.12.1889 in seiner Geburtsstadt Wien.

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Wir danken uns für die Erfahrung gemeinsam Theater zu machen.

Unser Obmann: Die PUSTERTALER THEATERGEMEINSCHAFT wurde für die "Michael Gaismair"-Aufführung anläßlich des Tiroler Gedenkjahres 1984 aus der Taufe gehoben.
Ein Regie-Seminar im Herbst 1991 - mit dem Stück "Das vierte Gebot" als Grundlage - gab den eigentlichen Anlaß, daß diese Gemeinschaft beider Pustertaler Bezirke auf Betreiben des Regisseurs Edi Braunhofer wieder zu neuem Leben erweckt wurde.
Heute wie damals war die Triebfeder für das Zustandekommen dieser bezirksübergreifenden Inszenierung jene, einmal aus dem Dorfbühnenalltag auszubrechen um gemeinsam mit Gleichgesinnten Theater zu erleben, Erfahrungen zu sammeln, sich weiterzubilden und nicht zuletzt ganz einfach nur um Freundschaften zu knüpfen und Gemeinschaft zu pflegen.
Auch wenn lange nicht alle Bühnen des Pustertales bei dieser Inszenierung mitwirken - ein Umstand, der uns bei Besetzung und Mitarbeitersuche in die üblichen Schwierigkeiten gebracht hat - so haben die gut besuchten Weiterbildungskurse, die Disziplin bei den Proben und die Begeisterung unserer Schauspieler an der gemeinsamen Arbeit alle jene Lügen gestraft, die der PUSTERTALER THEATERGEMEINSCHAFT keine Zukunft mehr vorausgesagt haben.
Die Ursache dafür dürfte in jenem Sprichwort am besten umschrieben sein, das da sagt: "Abwechslung stärkt den Appetit" und wohl auch für den Theatermenschen gilt.
So gesehen freuen wir uns auf die Aufführungen und wünschen auch unserem Publikum Appetit auf unser Produkt.

Josef Mairginter

Gedanken vom Regisseur: Einer hat eine Idee, einige reden darüber und stecken mit ihrer Begeisterung andere an und dann gehn sie auch gleich an die Verwirklichung dieser Idee.
Würde man immer den mit Steinen und Hindernissen besäten Weg von vornherein kennen, dann blieben viele Ideen eben das was sie von Anfang an sind, nämlich nur IDEEN!
Vielleicht war es der Reiz, mal was anderes zu machen, mit neuen Leuten zusammenzuarbeiten, oder auch nur die Begeisterung, Theater in einem anderen Rahmen zu realisieren? Wohl von jedem ein bißchen, sehr viel Unverfrorenheit und ein Quentchen Naivität, all das hat dazu beigetragen, die vor mehr als einem Jahr geborene Idee Wirklichkeit werden zu lassen.
Das vorgeschlagene Stück hat auch gleich die Zustimmung aller Beteiligten gefunden. Je besser man in die Thematik desselben Einblick bekam, desto vertrauter wurde es allen. Einen nicht unwesentlichen Beitrag dazu haben die im Rahmen dieses Projektes veranstalteten Seminare (Regie, Spielerschulung, Dramaturgie, Bühnenbild, Maske und Kostümbildung, Beleuchtung und Sprache) geleistet, die die Teilnehmer schrittweise und jeweils von einem anderen Gesichtspunkt an das Stück herangeführt haben.
Und jetzt sind wir beim Thema, bzw. bei der Aussage des Stückes. Ich würde sagen, daß diese (die Aussage) trotz ihres Alters kaum an Aktualität eingebüßt hat. Vielleicht gibt es heute nicht mehr den fast blinden Gehorsam den Lehren der Kirche gegenüber, oder vielleicht hat die Autorität der Erziehungsberechtigten einen Verlust hinnehmen müssen. Autoritäre Erziehung (mit subtilerer Handhabung) und noch mehr Kindesmißhandlung sind heute aber mehr denn je auf der Tagesordnung, die eigentlich den Trugschluß zulassen, daß Eltern oder Erzieher als Eigentümer der Kinder mit diesen verfahren können, wie es ihnen paßt!
Von den Tragödien und den daraus entstehenden psychischen Wracks haben wir meist keine Ahnung. Wir glauben, daß wir auch aus diesem Grunde berechtigt waren, uns mit dem Stück zu beschäftigen.

Edi Braunhofer

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Zuletzt bearbeitet: 22. Februar 2002
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