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TREATMENT Als Auftakt bilden die Fackelträger (12 Personen in der offiziellen Ausstattung der WM) einen Gang. Sie bilden eine Schleuse aus dem Dunkel ins Licht, aus dem Dickicht des Waldes auf die freie Fläche des Platzes. Am Kopf des Zuges kommen die drei Bären, Vorboten aus dem
Unbekannten. Drei als Zahl der Harmonie, als Auflösung der Spannung zwischen
dualistischen Polen. Was passiert, wenn wir an den dunklen
Seiten unseres Lebens kratzen? "Vermesse dich, die Pforten
aufzureißen, Es folgen zwei Musikkapellen, das bekannteste, das
sichtbarste, das repräsentativste und verbindlichste Glied unseres Kulturgutes, das ganz
an der Oberfläche liegt, für jeden sichtbar, bevor es in die Tiefe geht. Und doch
verhehlen die fröhlichen Märsche, die Rhythmen und das melodische Blasen über die
Heimat und Berggipfel, daß es meistens Kriegsmusik ist, die gespielt wird. Zum Zeichen des olympischen Gedankens kommt der
Feuerläufer in die Arena, die drei Fahnen werden zum Aufzug vorbereitet, die
Fackelträger geleiten die Redner (2) ans Mikrophon und nehmen dann Aufstellung vor den
Athleten mit ihrem Feuer, dem Symbol für Reinigung und Transformation, als Warnung, daß
aus der sportlichen Konkurrenz nicht Haß und Niedertracht entsteht. Wenn die WM durch den Spruch des Redners eröffnet ist, ertönt die Hymne der Weltmeisterschaft - die Bühne wird erhellt - Bühne frei für die Wettkämpfe - die Fahnen werden eingehakt und aufgezogen zu den Klängen der Hymne (lange Version). Eine Reise in das Innerste des eigenen Kulturgutes anstatt eines folkloristischen Nummernprogramms Wir tun uns heute schwer, aus den touristisch verkitschten Folklore-Darstellungen den Kern alter Mythen herauszuschälen, aber es lohnt sich. Hier liegen die Erfahrungen der Alten verschüttet, nicht in Aufzählungen der Könige und Kriege in den Geschichtsbüchern. (Elmar Drexel)
"Bilder aus der heimischen Sagenwelt" Stampe, Kröndlnatter, Uinze, Feuerwagen Eine Freilichtaufführung der Pustertaler
Theatergemeinschaft Regie - Elmar Drexel, Innsbruck
Langsam beginnt der Biathlet seine Kreise auf der Loipe zu ziehen. Der Atem wird langsam hörbar. Zuerst ein langsamer, hintergründiger, unscheinbarer Rhythmus. Vielleicht ist es der Nachbar vor mir oder hinter mir. Dann fällt Licht auf den Läufer - ein Staunen angesichts der Bewegung, der Rhythmik, bis man realisiert, daß das hörbar Atmen das Atmen des Läufers ist. Fahl und ausgelöscht erscheint das Viereck auf der Bühne im Licht. Unmerklich und ganz langsam wird es stärker und gibt die "Saligen", die guten Geister zu erkennen. Zuerst noch geduckt - das Atmen ist immer noch zu hören - strecken sie sich langsam in die Höhe, öffnen die Arme und beginnen mit ihren Drehungen, sie drehen sich hin und her und drehen so lange, bis sie alles reingefegt haben, bis jeder Schmutz von ihren ätherischen Besen vertilgt wurde und bis sie auf einem Teppich der Helligkeit schweben. Dann drehen sie von der Bühne. Die Musik verklingt fließend. Schlagartig wird die Reinheit durch die Horde der "Entrischen" zerstört. In ihrer Aggressivität und Rabiatheit zerstören sie die schöne Stimmung, sie zerhacken sie mit ihren Gebärden, mit ihrem Gebrüll und ihrem Gebell. Die "Entrischen" nehmen den Raum, tollen und toben, sind sprunghaft und schrill, beherrschen den Platz und versuchen sich zu behaupten. So schnell sie gekommen sind, verschwinden sie wieder. Hexen und Hexenmeister installieren den Ort des Geschehens: der Staller Sattel. Sie nehmen vom Ort, an dem die Geschichten erzählt werden, Besitz. Sie markieren ihren Anspruch mit ihrem Urin, mit ihren geheimnisvollen Ritualen und ihrem affengeilen Treiben. Am Höhepunkt kommen sie j"h zum Stillstand. Ihre Wildheit und Ekstase, aber auch ihre Erschöpfung, klingen noch nach. Zwei Kinder treten auf. Unbeschwert und übermütig spielen sie auf leerer Szene. Die Mutter kommt und ruft sie herein, denn es ist gefährlich draußen, und die Kinder ahnen nicht, daß sie der herannahenden "Stampe" knapp entkommen sind. Die "Stampe" ist einer außerordentlich blutrünstige Hexe, feuerrotes Haar, ein weiblicher Vampir, der es besonders auf Kinder abgesehen hat. Aber leichtsinnig kommen die Kinder wieder, um ihr Spiel fortzusetzen, noch einmal kann sie die Mutter hereinholen, bevor sie ein drittes Mal unfolgsam vors Haus gehen und von der Hexe geschnappt werden. Sie begräbt sie unter ihrem Rock und werden zu Tode gewürgt und erstickt. Wenn die Kinder den letzten Zappler gemacht haben, erlischt das Licht und die "Entrischen" tauchen wieder auf und freuen sich über die Beute. Majestätisch nähern sich die Nattern, den Zug von Schlangen, der ihre Königin auf den Schultern trägt, und in ihrer Hybris ähnelt der Zug einem orientalischen Anbetungskult. Die verzweifelten Bauern treffen auf einen Fremden, der sich anerbietet, sie von der Natternplage, die die Felder unfruchtbar macht, zu befreien. Der Fremde verspricht ihnen das Ende der Plage. Er entzündet ein Feuer, indem er ein feuerrotes Tuch aufzieht und weiht es mit heiligen Kräutern. Magisch angezogen gehen die Nattern ins Feuer. Nur die "Kröndlnatter" und der Fremde stehen sich am Schluß gegenüber. Um die Plage gänzlich zu tilgen, müssen beide, der Fremde und die "Kröndlnatter", ins Feuer, was sie auch langsam und entschlossen tun. Die Saligen können wieder auftreten. Das Gute hat gesiegt. Der Opfertod hat das Land wieder fruchtbar gemacht. Unzüchtige Senner und Sennerinnen sind auf der Alm. Das geile Treiben wird zu bunt. Die Sennerinnen müssen von der Alm und werden abberufen. Die Männer behelfen sich in ihrer Not mit einer Holzstatue, die sie zu einem feisten Weibe geschnitzt haben und "Uinze" taufen. An ihr lassen sie ihre wüste Phantasie aus, so lange bis die Holzstatue lebendig wird und viele neue "Uinzen" gebiert, die die Männer so in Angst und Schrecken versetzen, daß sie Hals über Kopf flüchten. Uinzen, Hexen, Hexenmeister, Entrische und Schnabelleute wüten auf der Szene. Aber taleinwärts nähert sich der "Feuerwagen", ein machtvolles Gefährt, verkörpert von vier Pferden mit ihren leuchtend geschmückten Reitern, und vertreibt die unseligen Geister. Zum letzten Mal erscheint das Feuersymbol, das Zeichen für Reinigung und Transformation, das sich wie ein roter Faden durch die Feier zieht, und verschließt die Schleuse in die Dunkelheit wieder. Das schauerliche Treiben verstummt, und es bleibt der Rhythmus des Atems, der Rhythmus des Lebens. In einem fließenden Ein und Aus beschließt der Biathlet den Bilderbogen, indem er auf die Bühne läuft und im weißen Lichtkreis in der Pose des WM-Emblems stehen bleibt. Elmar Drexel
Zuletzt bearbeitet: 24. April 2001
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